Sommer oder Winter, bei strahlendem Sonnenschein oder in einem wilden Föhnsturm, ob morgen, mittags oder abends, eine Fahrt auf dem Vierwaldstättersee ist immer ein Erlebnis. Diese Reise führt von der Leuchtenstadt durch den Kreuztrichter bis zur Riviera von Weggis. Vorbei an Vitznau passiert das Schiff anschliessend die beiden Nasen. Via Beckenried, Gersau und Treib erreicht das Schiff nach zwei Stunden Brunnen. Nun fährt das Kursschiff in den spektakulärste Seeteil, der Urnersee, ein. Hier, wo 1291 die Eidgenossenschaft gegründet wurde, ragen die Felswände praktisch senkrecht aus dem Wasser. Schliesslich nimmt diese Reise am südlichsten Punkt des Gewässers, in Flüelen ihr Ende.
3600, Luzern-Brunnen-Flüelen
Ausgangspunkt der SGV Hauptlinie ist Luzern. Am Bahnhofsquai bei der Landungsbrücke Nummer eins, unmittelbar vor der Seebrücke, warten die Schiffe auf ihre Passagiere. Im Sommer verlassen sie stündlich die Leuchtenstadt mit dem Ziel Flüelen. Während der Wintermonate verkehren täglich ein Kurs bis zum südlichsten Punkts des Vierwaldstättersees. Bei schönem Sommerwetter warten die Touristen und Ausflügler in Scharen auf die Schiffe.
An solchen Spitzentagen kann es durchaus vorkommen, dass ein Zusatzschiff benötigt wird, welches die vielen Wanderer bis nach Vitznau bringt. Besonders beliebt sind natürlich die alten Damen. Im Sommerfahrplan 2024 verkehren die Dampfschiffe um 9.12, 11.12 und 12.12. Wenn alle Leute einen Platz gefunden haben, ertönt zuerst einmal ein lauter Pfiff aus der Schiffspfeiffe. Anschliessend stösst die Mannschaft die Brücke zurück und legt die Leinen los. Die wohl schönste Schifffahrt auf einem Schweizersee kann also beginnen.
Gleich zu Beginn hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt Luzern. Der Blick schwenkt vom imposanten Kultur und Kongresshaus KKL über den Bahnhofsplatz zur Seebrücke mit der Kapellbrücke im Hintergrund. Die unzähligen prächtigen Hotels, die am Schweizerhofquai angesiedelt sind, machen das Panorama komplett. Langsam wird aber die Leuchtenstadt hinter einem gelassen und die Fahrt führt in gemütlichem Tempo in Richtung Verkehrshaus. In Fahrtrichtung rechts kann man die stattliche Werft der SGV erkennen.
Hier wurden die meisten Schiffe der SGV gebaut, allen voran auch das neue Prunkstück, die MS Diamant. Der erste Halt befindet sich anschliessend beim Verkehrshaus - Lido. Viele Familien nützen die interessante, jedoch sehr kurze Fahrt zum Lido als Zubringer zum Verkehrshaus der Schweiz. Anschliessend führt die Fahrt in Richtung Kreuztrichter. Auf der rechten Seite kann man hinter den markanten Papeln das Richard Wagner Museum erkennen. Hier lebte der Deutsche Dichter und Komponist während fünf Jahren zusammen mit seiner zweiten Frau Cosima und den beiden Söhnen.
Im Hintergrund ist der Luzerner Hausberg gut erkennbar, der 2`132 Meter hohe Pilatus. Dieser ist mit einer Gondelbahn ab Kriens sowie mit der Zahnradbahn ab Alpnachstadt bequem erreichbar. Das Schiff tuckert nun an der Seeburg vorbei bis zum Meggenhorn. Erhaben thront auf der Landzunge das gleichnamige Schloss, welches eine beliebte Location für Hochzeiten ist. Nun wird das Luzerner Seebecken verlassen und der See öffnet sich. Man befindet sich nun im sogenannten Chrüztrichter. Hier laufen die vier Arme des Vierwaldstättersees zusammen.
In Fahrtrichtung links kann man nun das Küssnachter-Becken mit den Gemeinden Meggen, Merlischachen, Küssnacht am Rigi und Greppen erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man das Stansstader-Becken. Der Hügelzug mit den drei markanten Abstufungen, welcher rechts vor einem liegt, ist der Bürgenstock. Dieser ist mit einer Standseilbahn ab Kehrsiten erschlossen. Hinter einem liegt nun das Luzerner Seebecken, wo die Reise ihren Anfang genommen hat. Nun nimmt der Kapitän Kurs auf den vierten Seeteil, das Vitznauer-Becken.
Nach der rund 10 minütigen Überfahrt ist Hertenstein in Sicht. Gleich neben der Station befindet sich das neu renovierte Campus Hotel. Die recht abgelegene Lage macht das vier Sterne Hotel insbesondere bei Seminargästen beliebt. Ohne viel Zeit zu verlieren, führt die Fahrt gleich weiter in Richtung Weggis. Dabei kommt einem natürlich sofort das bekannte Innerschweizer Volkslied "Vo Lozärn gäge Wäggis zue" in den Sinn. Das Schiff tuckert am dicht bebauten Ufer entlang vorbei am Freibad von Weggis, welches übrigens die erste nicht geschlechtergetrennte Badi der Schweiz war.
Der ständige Begleiter auf der linken Seite ist die Rigi, welche mit ihrer markanten Antenne auf dem Kulm, dem sogenannten "Spitzli", unverkennbar ist. Kurze Zeit später steuert der Kapitän die Station Weggis an. Die Ortschaft am Fusse der Rigi hat wegen ihrer geschützten Lage in der Rigi-Bucht ein besonders mildes Klima. So keimt hier manch exotische Pflanze und Palme. Das ist sicher auch ein Grund, warum Weggis hinter Luzern der zweitwichtigste Tourismusort im Kanton ist. Hier verlassen neben vielen Touristen, welche nun mit der Gondelbahn zum Kaltbad hochfahren
auch etliche Pendler das Schiff, denn der schnellste Weg nach Luzern führt über das Wasser. Aus diesem Grund wird zwischen Luzern und Weggis - Vitznau das ganze Jahr über ein Stundentakt angeboten. Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees besitzt total 19 Schiffe. Davon fünf nostalgische Raddampfer, 11 Motorschiffe, zwei Katamarane sowie eine Panorama-Yacht. Sie sind das ganze Jahr über auf dem See unterwegs und führen Einheimische wie auch Touristen bei jedem Wetter sicher über den See. Zurück zur Reise, diese führt nun an der Lüzenlau vorbei bis zum prunkvollen Park Hotel Vitznau.
Das fünf Sterne Haus wurde vor einigen Jahren komplett renoviert und strahlt seither in neuem Glanz. Kurze Zeit später legt die Mannschaft das Schiff in Vitznau an. Gleich neben der Landungsbrücke befindet sich das Depot und die Station der Rigi-Bahnen. Dementsprechend verlassen nun viele Wanderer und Touristen das Schiff und steigen in die Zugs-Kompositionen der Rigi-Bahnen um. Diese bringen im Stundentakt viele Naturhungrige hinauf auf die 1`798 Meter hohe Königin der Berge (Reise 103, Rigi Rundfahrt). Nach der Abfahrt dreht der Kapitän das Schiff nun in Richtung Süden.
Vor einem erstrecken sich nun zwei Landzungen, die ins Wasser ragen. Dies sind die beiden sogenannten Nasen. Die rechte, "untere Nas" ist ein Ausläufer vom Bürgenstock. Die andere, also die "obere Nas" gehört zum Rigi-Massiv. Der Abstand beträgt lediglich rund 800 Meter. Mit dem Durchfahren der Nasen verlässt man nun das geografische Gebiet der Voralpen und fährt in die Alpen ein. Im Gersauer Becken angekommen öffnet sich auf der rechten Seite die Buochser-Bucht. Diese wird jedoch von den SGV-Schiffen nur zweimal täglich angefahren. Die Fahrt führt nun weiter in Richtung Beckenried.
Unterwegs hat man einen herrlichen Ausblick auf das Stanser- und Buochserhorn, die Klewenalp sowie den Nieder- und Oberbauen. Über dem Dorf Beckenried ist schon von weitem das Lehnviadukt zu erkennen. Die Autobahnbrücke ist die zweit längste der Schweiz und verbindet den Seelisbergtunnel mit Beckenried. In Beckenried besteht einmal mehr Bergbahnanschluss. Die Seilbahn bringt Sportler und Ausflügler im Sommer wie auch im Winter auf die 1`600 Meter hohe Klewenalp. Ohne viel Zeit zu verlieren geht die Reise weiter.
Nun steuert der Kapitän das gegenüberliegende Ufer an. Auf der Überfahrt wird mit 214 Meter die tiefste Stelle des Vierwaldstättersees passiert. Den Namen hat der See übrigens von den vier angrenzenden Waldstätten , also Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern erhalten. Mit einer Fläche von 114 Quadratkilometern ist der See zwar nur der viert grösste der Schweiz, doch durch die stetig wechselnde Szenerie und den historisch wichtigen Punkten ist er eines der schönsten und faszinierendsten Gewässer der Schweiz. Der nächste Halt befindet sich in Gersau.
Die Ortschaft, welche die Heimat von rund 2260 Einwohnern bildet, war von 1433 bis 1817 eine eigenständige Republik. Die Freie Republik Gersau hatte neben eigenem Hof- und Erbrecht sogar auch eine eigene, in Spitzenzeiten 54 Mann grosse, Armee. Schliesslich wurde die Republik 1817, gegen den Willen der Einwohnern, dem Kanton Schwyz zugeteilt. Nach dem An- und Anlegemanöver wird das Schiff weiter in Richtung Osten gesteuert. Der nächste Halt befindet sich bei der Station Treib, welche sich wiederum am anderen Ufer befindet.
Die schwarz-gelben Fensterläden weisen darauf hin, dass man sich nun im Kanton Uri befindet. Auch hier besteht wieder die Möglichkeit auf eine Bergbahn umzusteigen. Diesmal ist es eine Standseilbahn, die insbesondere Wanderern vom Weg der Schweiz den Aufstieg hoch zum Seelisberg erleichtert (2590). Gleich neben der Talstation befindet sich das wunderschöne Wirtshaus zur Treib. Erstmal erwähnt wurde es im Jahre 1482. Es diente als Tagsatzungsraum der alten Eidgenossenschaft sowie als Zufluchtsort der Schiffsleute wenn wieder mal der Föhn "chutete".
Nun wird aber der Kanton Uri schon wieder verlassen, wenn auch nur für den Moment. Das Schiff nimmt Kurs nach Brunnen, neben Luzern und Weggis ein weiterer wichtiger Tourismusort. An der grossen Landungsbrücke warten in den Sommermonaten schon unzählige Passagiere auf das einfahrende Schiff. Viele von ihnen nutzen das Schiff als Zubringer zum Weg der Schweiz oder machen die beliebte Urnersee Rundfahrt. Nachdem hier in Brunnen ein grosser Passagierwechsel stattgefunden hat, biegt das Schiff in den wohl schönsten Seeteil ein - den Urnersee.
Hier ragen die Felswände praktisch senkrecht aus dem Wasser empor und die umliegenden Berge erreichen eine Höhe von bis zu 3`000 Metern. Diese fjordähnliche Landschaft faszinierte schon Friedrich Schiller. Er schrieb die bekannte Geschichte vom Nationalhelden Wilhelm Tell. Obwohl Schiller nie am Vierwaldstättersee weilte, beschrieb er die Gegend sehr genau. In Fahrtrichtung rechts ist nun ein obeliskartiger Felsen zu erkennen, dies ist der Schiller oder Mythenstein. Er trägt die Innschrift: "Dem Sänger Tells, Friedrich Schiller, die Urkantone, 1859"
Die Reise führt nun weiter zu einem weiteren historisch wichtigen Punkt, dem Rütli. Auf der bekannten Wiese unterhalb von Seelisberg haben 1291 die drei Eidgenossen, Walter Fürst, Werner Stauffacher und Arnold vom Melchtal, den heiligen Bund der Eidgenossenschaft geschworen. Die Geburtsstunde unserer Schweiz. Weiter bildet das Rütli auch den Ausgangspunkt des 1991 gegründeten Weg der Schweiz. Dieser 35 Kilometer lange und von allen 26 Kantonen mitgestaltete Weg führt einmal rund um den Urnersee und endet in Brunnen, auf dem Platz der Auslandschweizer.
Die Reise nach Flüelen führt nun je nach Kurs entweder am rechten Ufer entlang über Bauen und Isleten oder über die Stationen Sisikon und Tellsplatte. Sieht der Fahrplan diese zweite Variante vor, so nimmt das Schiff Kurs auf das andere Ufer. Die Strasse, die am anderen Ufer entlang läuft, ist übrigens die Axenstrasse. Diese wurde 1865 als letztes Teilstück der Nord-Süd Achse fertig gebaut. Der nächste Halt befindet sich in Sisikon. Von hier führt die Reise weiter zum nächsten geschichtlich wichtigen Punkt, der Tellsplatte. Dort, wo Tell mit einem sagenhaften Satz vom Boot gesprungen ist und so dem Landvogt Gessler entkommen konnte, erinnert heute die Tells Kapelle daran.
Zurück zur zweiten Variante. Hier fährt das Schiff dicht an der imposanten, senkrecht aus dem Wasser ragenden Felswand entlang nach Bauen. In dieser kleinsten Gemeinde des Kantons Uri lebte Alberich Zwyssig. Er komponierte die Nationalhymne und liess sich dabei von dem gewaltigen Bergpanorama vor seiner Haustüre inspirieren. Weiter steuert der Kapitän das Schiff nach Isleten. Von hier aus führt eine spektakuläre PostAuto-Linie hinauf ins Isenthal. Ein Anlegen an den Stationen im Urnersee ist nicht immer problemlos möglich. Wenn der älteste Urner wieder mal richtig tobt und die Wellen meterhoch am Ufer aufschlagen,
dann ist das ganze Können des Kapitäns und seiner Mannschaft gefordert. Aber der See hat natürlich auch seine ganz sanfte Seite. In dieser gleitet das Schiff förmlich in Richtung Zielort Flüelen. Unterwegs ergibt sich ein faszinierender Ausblick auf die umliegenden Berge, insbesondere auf den markanten Bristen, der über dem Reusstal thront. Weiter fallen einem auf der Fahrt nach Flüelen auf der rechten Seite die vielen Inseln auf. Diese waren nicht immer hier. Mit dem vielen Ausbruchsmaterial das beim Bau des Gotthard Basis Tunnels entstanden ist, hat man im Reussdelta mehrere Inseln aufgeschüttet.
Einige dienen als Badeinseln und sind frei zugänglich, andere sind jedoch für die verschiedenen Vogelarten und Reptilien vorgesehen und entsprechend gesperrt. Nun steuert der Kapitän den südlichsten Punkt der Reise an. Die Reise endet nach knapp drei Stunden an der Landungsbrücke von Flüelen, welche direkt neben dem Bahnhof liegt. Von hier kann man zum Beispiel mit dem Zug weiter ins Tessin Reisen. Oder aber man bleibt einfach auf dem Schiff sitzen und tuckert nach einem kurzen Aufenthalt zurück in Richtung Luzern.
60.401, Flüelen-Altdorf-Amsteg-Göschenen
Last Update: 20.11.2024